Anteilearbeit:
Das Innere Kind in der Therapie

Um in der Therapie ein wenig Ordnung in die eigenen inneren Vorgänge zu bringen, kann man ein Bild nutzen: das des Inneren Teams. Unsere verschiedenen Ansichten, Handlungen, Gefühle und Reaktionen können wir so sortieren und gezielt damit in Beziehung gehen. Da mag eine Figur die innere Kritikerin sein, die uns immer vorhält, was wir wieder mal falsch gemacht haben. Oder der innere Profi, der kompetent auftritt und komplexe Aufgaben selbstbewusst ausfüllt. Der Liebende, die Versorgerin, der einsame Wolf, die fürsorgliche Mutter, der Clown, Diktator, Anführer, Trotzkopf, der begossene Pudel, und und und. Diese inneren Anteile können in der selben Person aktiv sein, in unterschiedlichen Situationen.

Diese inneren Anteile können sich wunderbar anfühlen, man geht in etwas auf, das gut tut – oder sie können uns sabotieren, uns Freude, Nähe, Entspannung oder Erfolg nehmen. Jede Person hat ein unterschiedlich zusammengesetztes inneres Team oder unterschiedliche Persönlichkeitsanteile. Das wichtige dabei ist, die „negativen“ Anteile nicht zu verteufeln. Denn sie folgen allein einer Mission: Uns zu schützen und uns zu dienen.

Zugegeben, ihre Methoden scheinen uns oft das Gegenteil einzubringen. Das liegt daran, dass sie aus einer anderen Zeit in unserem Leben stammen, in der wir uns durch bestimmte Handlungsweisen schützen konnten – zum Beispiel die dringend benötigte Aufmerksamkeit durch aggressives Verhalten erzwingen. Wenn wir heute wieder Nähe herstellen möchten, nutzen wir das eingefahrene Muster des Angriffs und piesacken Freunde und Partner*innen. Heute jedoch ist das Muster oft nicht mehr hilfreich und die Kraft, die uns eigentlich dienen möchte, ruft Streit oder Isolation hervor.

In der therapeutischen Arbeit ist es deshalb immer unser Ziel, die Kraft dieser „fehlgeleiteten“ Anteile zu nutzen, indem wir sie wertschätzen lernen und ihnen schrittweise neue, dienliche Aufgaben zuweisen.

Ein besonderes Teammitglied ist das innere Kind. Es sammelt in sich viele dieser impulsiven, trotzigen, aggressiven und unreifen Anteile, die uns auch als Erwachsene zu unreifem Verhalten bringen. Um uns Zugehörigkeit, Liebe und Anerkennung zu bringen, schlägt es mitunter um sich, ordnet sich unter, brodelt vor Wut, zittert vor Angst, schämt sich und fühlt sich einsam. Das ist der innere Anteil, den wir oft am wenigsten mögen und am stärksten ablehnen.

Und hier kommt der innere Erwachsene ins Spiel: In sicherem Rahmen, angeleitet durch den Therapeuten, lassen wir unsere inneren fürsorglichen Anteile mit den unglücklichen Anteilen in Kontakt kommen. Wo bisher viel Streit in uns gebrodelt hat, lernen wir uns annehmen – ein innerer Anteil akzeptiert und versteht den anderen besser und kann so aus den Selbstvorwürfen oder gar Selbsthass aussteigen. Und der Anteil, der uns Nähe bringen möchte, lernt, dass es seine Strategie verändern darf, um diese Nähe auch tatsächlich verwirklichen zu können.

So können wir uns selbst die Fürsorge geben lernen, die wir oft vermissen oder von anderen zu bekommen suchten. Unsere inneren Anteile können Frieden schließen.

© Copyright 2023 by Vinzenz Hokema